Wärmebehandlungsverfahren
Alle Prozessstufen der Stahlbauteilherstellung dienen der Herstellung von benötigten Bauteilgeometrien mit definierten Eigenschaften des Grundmaterials. Diese Herausbildung der Materialeigenschaften werden grundlegend durch die nötigen Wärmebehandlungsprozesse bestimmt, die definierte Eigenschaftsänderungen hervorrufen (in den Grenzen der chemischen Analyse der Stahlmarke). Nachfolgende Erläuterungen sollen die wichtigsten Wärmebehandlungstechnologien aufzeigen, ohne vollständig dieses umfangreiche Fachgebiet erfassen zu können.
Dabei hat die Wärmebehandlung nicht nur die Aufgabe, die mechanisch-technologischen Eigenschaften der Stähle auszubilden, sondern durch die Unterwerfung des Materials in ein bestimmtes Temperaturregime (in einer Kombination von Erwärmung und Abkühlung der Stahlwerkstoffe), werden auch die Korngröße und die Eigenspannungen der Materialien verändert. Ziel dabei ist, das Verhältnis der Festigkeit zur entsprechenden gewünschten Zähigkeit wunschgemäß einzustellen.
Eine erklärende Darstellung ist über das Zweistoffsystem des Eisen-Kohlenstoff-Diagrammes möglich, dessen Temperatureinfluss auf die Phasen der Eisen-Kohlenstofflegierungen veranschaulicht wird.
Schema des Eisen-Kohlenstoff-Diagramms (metastabiles System)

Für die Darstellung der allgemeinen Gebrauchsstähle wird dafür nur der Teil bis zu einem Kohlenstoffgehalt von 1,5 % betrachtet. Die Wärmebehandlungsvorgänge werden ausnahmslos im festen Materialzustand durchgeführt und demzufolge interessiert dabei nur der Bereich unter der Liquiduslinie, weit unter der Schmelztemperatur des reinen Eisens bei ca. 1539°C.
Zusätzlich sind diese Vorgänge zeitabhängig, diese zeitlichen Vorgehensweisen werden aber den herstellenden Betrieben überlassen und sind den Geometrien der Materialherstellung angepasst.

Wärmebehandlungsverfahren
Weichglühen
Das Weichglühen bezweckt eine bessere Bearbeitbarkeit mittels nachfolgend gewünschter Zerspanung und/oder soll die durch Walzen oder Schmieden hervorgerufene Verfestigung durch Glühung zur Rekristallisation des Stahlgefüges verbessern.
Der Stahl wird hierzu entsprechend dem vorhandenem Kohlenstoffgehalt (meist bei Gehalten über 0,5% und eventuell anderer Legierungsbestandteile) durch Erwärmen unterhalb der kritischen Temperatur, fallweise auch durch Pendeln um A₁-Temperatur, mit nachfolgendem langsamen Abkühlen auf einem Warmbett oder im Ofen behandelt.
Es ist unerlässlich bei allen Stählen, die während der Weiterverarbeitung zu Blech, Band und Draht oder während der Teilfertigung durch Walzen, Ziehen, Biegen usw. kalt verformt werden sollen.
Normalglühen/Normalisieren
Das Normalglühen wird bei (fast) allen Stahlformgussteilen angewendet, um das grobe Erstarrungsgefüge zu beseitigen, bei Schmiede- und Walzerzeugnissen, die infolge geringen Verschmiedungsgrades oder längerer Behandlung bei hohen Temperaturen grobkörnig sind, und bei Schweißverbindungen, wenn es Form und Größe der Konstruktionen zulassen.
Durch das Normalglühen werden Ausscheidungen wieder gelöst und dadurch bedingte Versprödungen beseitigt. Wenn nötig, werden auch die Wirkung von Härtebehandlungen und eines vorher erfolgten Vergüteprozesses wieder beseitigt.
Vergüten
Unter dem Vergüten versteht man eine Wärmebehandlung von Metallen zur Erzielung höchster Zähigkeit bei bestimmter Festigkeit bzw. Streckgrenze. Das Vergüten wird erreicht durch Härten mittels beschleunigter Abkühlung und nachträgliches Anlassen des beim Härten entstandenen Gefüges (beim Stahl oft sogenannter Martensit). Mit steigender Anlasstemperatur zerfallen diese Gefüge allmählich und gehen in feinverteilte Karbide über. Härte, Streckgrenze und Zugfestigkeit fallen ab, die Zähigkeitseigenschaften steigen dabei.
Spannungsarmglühen
Das Spannungsarmglühen dient zum Abbau von mechanischen oder thermischen Spannungen, die bei der Kaltbearbeitung oder durch ungleichmäßiger Erhitzung oder Abkühlung (z.B. beim Schweißen) entstanden sind. Es ist zu beachten, dass durch das Spannungsarmglühen die Spannungen nicht restlos beseitigt sondern lediglich in vernünftigen Glühzeiten gemildert werden können. Wie auch nach dem Weichglühen ist ein sehr langsames Abkühlen auf einem Warmbett oder im Ofen selbst erforderlich. Die Glühtemperaturen liegen bei wärmebehandelten Stählen unter den zuletzt angewendeten Glüh- bzw. Anlasstemperaturen (20 bis 40 K). Daher lassen sich aber Spannungen, die durch eine Abschreckbehandlung (Vergüten) entstanden sind, nur relativ wenig verringern.
Ausscheidungshärten/Auslagern
Ein Ausscheidungshärten wird bei Legierungen durchgeführt, die ausscheidungsfähige Legierungskomponenten enthalten. Durch eine Glühung bei 620°C bis 750°C wird die nach der Abkühlung von Warmformgebungs- beziehungsweise Normalglühtemperatur oder nach einer Lösungsglühung in Lösung befindliche Phase zur Ausscheidung gebracht. Hiermit ist eine Festigkeitserhöhung (Streckgrenze, Zugfestigkeit) sowie eine gleichzeitige Verringerung der Dehnung und Zähigkeit verbunden.
Das Ausscheidungshärten kann bei der Verwendung von mikrolegiertem Vergütungsstahl sowie bei martensitischem, austenitischem und austenitisch-ferritischem Stahl, der über Sonderelemente wie zum Beispiel Kupfer und Niob ausscheidungshärtbar ist, angewendet werden. Damit haben diese Sonderelemente den Zweck, nach dem Lösungsglühen über die folgende thermische Behandlung, üblich im unteren Temperaturbereich des Anlassens, gezielt auszuscheiden und können damit die beachtliche Festigkeitserhöhung bewirken unter Verlust einer vertretbaren Zähigkeitsminderung und leider auch zusätzlichem Abfall der Korrosionsbeständigkeit.